8. GIACINTO SCELSI FESTIVAL
Basel 8. & 9. August 2021
Kulturzentrum Don Bosco, Paul Sacher Saal
08
AUGUST
11:00 – 12:15
"Man muss zu den Ursprüngen zurückkehren, zu den
Manifestationen auf der Erde, noch bevor es Eva gab. Da gab es Lilith, die über beides verfügte."
Giacinto Scelsi
Konzert I und Eröffnung des Festivals
L'impatience des fleurs
Giacinto Scelsi (1905 – 1988)
Lilit (1962) für Sopran
Giacinto Scelsi
Les trois sonates (1936-41)
für Klavier
Sonate 2 (1939)
Con estremo impeto, agitatissimo - Lento meditativo -
Vivace tempestoso
Sonate 4 (1941, CH Erstaufführung)
Con moto - Lento - Con impeto estremo, violento
Sonate 3 (1936 – 1939)
Lento rubato - con dolcezza - III (ohne Satzbezeichnung)
Franziska Hirzel, Sopran
Marianne Schroeder, Klavier
11:00 – 12:15
Workshop mit Fanny Perrier Rochat
Das Singen im Vorderen Orient
Für Aktive und Hörer.
18:00 – 19:00
Konzerteinführung
Dr. Markus Bandur
Texte: Henry Michaux
Moderation: Marianne Schroeder
20:00 – 21:45
Konzert II
Les cris encha n s
Brina Jež-Brezavšček (*1957)
Seven Leaves K-R-I-S-H-N-A
(2017, CH Erstaufführung)
für Blockfl te mit Verst rkung
Hila Tamir Ostrover (*1976)
Ra'ad. Zittern
(2012, CH Erstaufführung)
Pause
Giacinto Scelsi
Quartett Nr. 1 (1944)
I. Quasi lento-agitato-molto sostenuto.
II. Molto lento, quasi funebre-pesante.
III. Scherzo.
IV. Moderato-deciso-dolcissimo.
Quartett Nr. 4 (1964)
Asasello Quartet:
Rostislav Kozhevnikov, Barbara Streil, Violinen
Justyna Sliwa,Viola
Teemu My h nen,Cello
Maruša Brezavšček, Blockfl ten
09
AUGUST
20:00 – 21:45
"Die Musik ist auch ein Weg zur Transzendenz. Sie ist
vielleicht der am leichtesten zug ngliche Weg. In der Musik
kann man auch singen, ohne zu wissen was man singt, und
sogar spielen, ohne zu wissen was man spielt. Ein Zustand
der Inspiration, um dieses alte Wort zu verwenden, der nichts
anderes n tig hat."
Giacinto Scelsi, 1987
Konzert III
La résonance du soleil
Du fond des ges
Autour des chants sacr s d'Orient syriaques et byzantins
Fanny Perrier-Rochas,
Michel Tourteau
Pause
Le jardin des roses
Madjid Khaladj, iranische Trommeln
Giacinto Scelsi
Lilit (1962)
Franziska Hirzel, Sopran
FESTIVAL
Das Festival
Das Scelsi Festival feiert jeweils den Auftakt des neuen Jahres: Zwischen Komposition und Improvisation erscheinen musikalisch-gedankliche Facetten rundum Giacinto Scelsi (8. Jan. 1905 – 9. Aug. 1988) im Bahnhof für Neue Musik, Gare du Nord.
Dieses Kulturjuwel verdankt die Stadt Basel dem einzigartigen Erbe des Komponisten, der die Aufführung seiner Klavierwerke der hervorragenden Pianistin Marianne Schroeder vermacht hat. Sie ist Initiantin, Kopf, Herz, Seele und künstlerische Leiterin des Scelsi Festivals: sie stellt jeweils ein Ensemble aus international renommierten Musikerinnen und Musikern zusammen und lädt dazu ausgewiesene Experten ein, die Werke und deren Kontext in Vorträgen zu reflektieren.
Anregungen zu aktuellen Fragen bieten Person und Werk vollauf: Scelsi schuf ein sehr eigenwilliges Werk. Seine Kompositionen widersprechen der europäischen Tradition einer Kompositionspraxis, die auf eindeutiger Autorenschaft beruht. Sie fussen weder auf traditionellen Satztechniken noch besitzen sie eine Nähe zu Konzepten der musikalischen Moderne. Er entwickelte eine Vorstellung vom sphärischen Klang mit mikrotonalen Elementen. Zudem verabscheute er das Tonsetzen: Eine Vielzahl seiner Werke entstand in einer intuitiver Improvisation, die er auf dem Klavier oder einer Ondioline (einem frühen elektronischen Musik-instrument) spielte. Diese Improvisationen schnitt Scelsi auf Tonband mit und liess sie anschliessend von in Notenschrift übertragen. In seinem Nachlass fanden sich mehr als 900 solcher Tonbänder, die zu einem Grossteil bis heute noch nicht untersucht wurden. Und einflussreich für seine Kompositionen ist Scelsis Auseinandersetzung mit östlichen Philosophien, insbesondere aus Indien.
Künstlerische Leitung
Marianne Schroeder
Mein Meister Scelsi ist ein wunderbarer Mensch gewesen. Er war ein Genie. Er war sehr gütig und grosszügig. Ein richtiger Graf. Nach dem Essen hatte er ein strahlendes pausbäckiges Gesicht. Von einer Bereitschaft zum Lächeln, von der Freude an jedem Tag seines Lebens war sein Gesicht geprägt. Er war ein Mann der Rituale, der Inspirationen. Er legte sich gerne in die Sonne und unmittelbar und plötzlich wurde er von Ideen erfüllt. Seine Inspirationen kamen so überraschend, dass man manchmal das Gefühl bekommen konnte von der Grenze der Erfassbarkeit. Er erinnerte mich in dieser Hinsicht sehr an Mozart, und in seinem Geschmack an Lebensfreude und in der Spiegelung seines Übermuts, der niemals morbide oder beängstigend wurde. Auch nicht in der Stunde seines Erlöschens. «Comme une bougie.» Er leuchtete in seinem Erlöschen voller Musik. Und dieses Strahlen hat sein Eingefallensein, seine Schwäche durch Transparenz durchleuchtet. So, dass man die Empfindung bekam von dem Widerschein einer Existenz, die diese beiden Extreme mit einer inneren Präsenz vereint. Eine Präsenz, die nur ein grosser Meister besitzt.
Er empfahl, jeden Tag zu improvisieren.
Und, nun, an einem Abend passierte etwas völlig Unvorhergesehenes. Wir waren zu viert beim Abendmahl und Bruna legte mir eine Auswahl der Speisen auf meinen Teller. Da brach aus Scelsi ein regelrechtes Donnerwetter hervor: Wie kannst du es wagen, meinem Gast die Speisen einfach auf den Teller zu legen! Der Mensch ist autonom und darf niemals bevormundet oder sogar verletzt werden. Nimm sofort alle Speisen zurück und lass sie selber ihre Wünsche aussuchen. Bruna verstand das kaum, es war ihr noch nie so etwas zugestossen. Der sonst so sanfte und liebenswürdige Scelsi konnte unmittelbar eine Seite offenbaren, die alle wie wachrüttelte. Seine Reife verband ihn mit allem, und selbst in den schwierigsten Situationen behielt er seine Sicherheit.
Ich fühlte mich nie allein, wenn ich seine Musik spielte. Wo immer ich hinging, sie war immer mit mir.
Seine «bougie», sein Erlöschen, war wie ein Akkord, der die Ewigkeit mit einschliesst.
Und wie Ttai, die 9. Suite. «Spiele sie immer, wenn du traurig bist. Auch wenn du übermütig bist.» Sie ist das einzige Stück, das ich nicht hören durfte in seiner Tonband-Aufnahme. Er übergab sie mir einfach.
Ich lernte von seiner Leichtherzigkeit, die mich fasziniert und immer ganz in Anspruch genommen hat.
Und dass sein Leben für mich eine Erfüllung und auch eine Hoffnung werde, dass ich genauso bis zum letzten Moment wie eine «bougie» musizieren, im Musizieren erlöschen dürfe.
So lernte ich, dass Freude und Schmerz ein tiefer, natürlicher Reinigungsprozess sind, ein Reifungsprozess, der uns wie ein Licht leuchtet, der uns in allen unseren Schwierigkeiten des Lebens eine Leuchte sein kann.
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Ticketpreise
CHF 30,-
CHF 20,- (ermässigt)
CHF 70,- (Festivalpass)
CHF 35 (Workshop)
Bestellung: festival@scelsi.info
T +79 923 40 00
Wir bedanken uns herzlich bei unseren privaten Spendern und den Stiftungen, die nicht namentlich
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